Im Konzert der großen internaionalen Trailrunning-Events spielt das Tecnica MaXi Race in Annecy bei weitem nicht die erste Geige. Doch nicht umsonst wurden im vergangenen Jahr auf der 85 Kilometer langen Schleife die Weltmeisterschaften ausgetragen. Neben einer zum Teil technisch äußerst anspruchsvollen Strecke zählt der Lauf mit Sicherheit zu den schönsten Ultratrail-Events, bei dem ambitionierte Naturliebhaber voll auf ihre Kosten kommen.

    Annecy präsentierte sich zumindest noch am 27. und 28. Mai von seiner schönsten Seite. Sonnenschein pur und hochsommerliche Temperaturen sorgten für eine wunderbare Urlaubsatmosphäre. Am Strand Albigny tummelten sich Wassersportler jedweder Couleur, der See lädt ein zum Surfen, SUP, Kajak fahren, Schwimmen oder einfach nur zum Entspannen am Seeufer. Die Kulisse darf getrost als imposant bezeichnet werden, im Hintergrund winken mit ihren schneebedeckten Gipfeln die Alpengipfel. Annecy hat einen hohen Freizeitwert, das Zentrum ist sehenswert. Das Flanieren durch die Altstadt gehört schon fast zum Pflichtprogramm genauso wie eine kurze Joggingtour entlang des Seeufers. Weicht man auf einen der gekennzeichneten Wanderwege Richtung Hügel aus, kann man schon auf wenigen Laufkilometern mächtig Höhenmeter sammeln. Das Gelände ist exponiert und bietet einen Vorgeschmack auf das, was das MaXi Race seinen Teilnehmern bietet.

    Diese tummeln sich pünktlich am Freitag um 12:30 vor dem MaXi Village und warten auf das Öffnen der Expo und die damit verbundene Ausgabe der Startunterlagen. Leider heutzutage in Frankreich notwendig: Sicherheitskontrollen rund um das Gelände, Rucksackkontrollen, die Angst vor Anschlägen macht auch vor Trailrunning-Events nicht Halt. Genauso wenig wie die Benzinknappheit in Frankreich. Am Ende bleiben ein paar Startnummern des komplett ausgebuchten Rennens übrig. Auch wenn in diesem Jahr Teilnehmer aus mehr als 42 Nationen gemeldet sind, überwiegend sind es Franzosen, die sich auf die Strecke wagen und dem Veranstalter ein ausverkauftes Haus bescheren.

    Trotz der insgesamt 6.000 Teilnehmer geht es zügig zu bei der Startnummernausgabe. Das schöne Wetter lässt die Kontrolle der Pflichtausrüstung schnell vonstatten gehen. Wichtigster Bestandteil ist bei den grandiosen Wetteraussichten für den Renntag das Erste Hilfe Set. Das Ambiente am Start- und Zielbereich ist schlichtweg imposant und lässt die Vorfreude auf ein wunderbares Lauferlebnis steigen. Die Zeit bis zum Start am frühen Morgen um 3:30 Uhr lässt sich auf der Expo oder in einer der vielen Restaurants und Bars bestens vertreiben. Annecy – das ist Urlaubsflair pur.

    Trotz der frühen Morgenstunde werden die Läuferinnen und Läufer mit großem Getöse auf die Strecke geschickt. Nachtschwärmer feuern die Läuferschar lauthals an bevor diese sich nach einer Schleife Richtung Zentrum auf die Trails begibt. Schnell verschluckt die Morgendämmerung das Teilnehmerfeld, schnell stellt sich heraus, dass es die Trails rund um Annecy wirklich in sich haben.

    Die bloßen Daten und Fakten auf dem Papier werden dem Rennen wohl kaum gerecht, denn auch wenn sich der 85 Kilometer lange Rundkurs für echte Bergziegen offensichtlich in überschaubaren Höhen entlang schlängelt, die Bergauf-Passagen kosten viel Kraft und Kondition, downhill ist zum Teil ein hohes Maß an technischem Geschick gefordert. Die Empfehlungen der Organisation bezüglich der Durchgangszeiten kommen nicht von ungefähr und schnell bewegen sich zahlreiche Teilnehmer am Rande des Zeitlimits. Viele beenden das Rennen in Doussard vorzeitig bei Kilometer 43, hier ist auch das Ziel des ersten Tages für das Compresssport XL Race, bei dem man den Rundkurs in zwei Tagen bewältigen darf.

    Die nächste zeitliche Hürde ist bei Kilometer 52, alleine hier stranden im Angesicht des Col Encrenaz mehr als 20 Teilnehmer. Nur gut, dass an diesem Samstag die Sonne scheint. Rund 90 Minuten dauert es, bis die letzten Teilnehmer Richtung Annecy gefahren werden. Als Trostpreis für die „Courage“ sich der Herausforderung gestellt zu haben, gibt es ein Funktions-Shirt mit dem Spruch „J´y étais, je n´ái pas fini, je reviendrai“. Ganz sicher für den einen oder anderen eine Motivation, es im nächsten Jahr noch einmal zu versuchen. Belohnt werden alle – ob Finisher oder Gescheiterte – mit wunderschönen Impressionen und herrlichen Trails. Diesbezüglich fällt die Entscheidung zum Wiederkommen einfach.

    Bis zum Col Encrenaz ist das Gröbste geschafft, auf dem Papier. Die kleinen giftigen Anstiege kosten viel Kraft, immerhin werden die Zeitlimits etwas großzügiger. Wer es bis hierhin geschafft hat, wird aller Voraussicht nach auch das Ziel erreichen. Kein Zuckerschlecken ist der letzte Berg. Weder bergauf noch bergab, für diejenigen, die kurz vor Zielschluss Annecy erreichen, gilt höchste Vorsicht beim Abstieg in der Dunkelheit. Dafür ernten sie Respekt von den Passanten, Zuschauern und Fans des Rennens. Viele bleiben auf der Strecke und diejenigen, die es geschafft haben, können mit stolz geschwellter Brust in den Sonntag gehen. Der machte der schönen Wetterfront leider ein Ende. Marathonaspiranten und die Compresssport XL Teilnehmer mussten den diesjährigen Renntag im Regen beschließen. Schade, auch wenn Annecy bei jedem Wetter eine Reise wert ist.

    Empfehlenswert sind Grundkenntnisse der französischen Sprache. Viele der äußerst freundlichen Helfer und engagierten Streckenposten sprechen kaum oder kein Englisch. Die Verständigung mit Händen und Füßen klappt zwar ausgezeichnet, trotzdem ist es hilfreich, mehr als nur „Courage“ oder „bonne chance“ zu verstehen und sich mit ein paar Worten verständigen zu können.

    Seit seiner ersten Austragung ist das MaXi Race in Annecy exorbitant gewachsen. Neben der Solorunde und dem XL Race gibt es einen Teamwettbewerb, ein Marathonrennen, einen Entdeckungstrail sowie ein Vertical Race. Organisationschef Stéphane Agnoli hat offensichtlich ein gutes Auge und ein Gespür für Events mit großem Potential. Neben dem MaXi Race in Annecy organisiert er weltweit Rennen, darunter auch das Hong Kong 100 oder den Trail Trans Grand Canaria. Das MaXi Race zählt mit Sicherheit zu den weltweit schönsten Ultratrails, angesichts eines straffen Zeitlimits auch zu den härtesten, bei dem alleine die „Courage“ nicht ausreicht.

    Mehr über Tecnica

    Wir freuen uns auf Deinen Kommentar!