Tchibo gibt sich seit einigen Wochen wieder einmal sportiv und bietet eine breit gefächerte Range an sportiven Outfits an. Aufmerksamkeitsstark durch massive TV Werbung in Szene gesetzt sind auch wir neugierig auf die winterlichen Laufoutfits geworden und so haben wir eingekauft. Ob die im untersten Preissegment angesiedelte Funktionsbekleidung ihr Geld wert oder eine absolute Fehlinvestition ist – darüber streiten sich am Ende unserer Testkäufe nicht die Geister, denn das Fazit fällt eindeutig aus.

    Was kann man von einem langärmeligen Laufshirt für 14,99 Euro oder einer Windjacke für 34,95 Euro schon erwarten? Jedenfalls haben wir uns beim Auspacken der funktionalen Sportoutfits zunächst einmal die Nase zugehalten, denn der künstliche Plastik- oder Farbgeruch war kaum zu ertragen. Auch die ersten haptischen Eindrücke der Laufbekleidung vermittelten keinen allzu vertrauenserweckenden Eindruck. Sich wohl fühlen fühlt sich anders an und so ist ein erster zaghafter Vertrauensvorschuss schon einmal ziemlich in den Ofen geschossen worden.

    Bei der ersten Anprobe fällt gleich auf, dass die Passform nicht auf den Körper sportlich aktiver Menschen zugeschnitten ist. Während wir uns ein gewisses Volumen, das mit dem Körper ausgefüllt werden soll ja noch durchaus gefallen lassen würden, ist doch eher unverständlich, dass für die Armlänge der Oberteile offensichtlich ein nicht existierendes Maß veranschlagt wurde. Jedenfalls verschwinden die Hände in den Ärmeln, vielleicht haben ja Orang-Utans Pate gestanden? Ebenso stellt sich die Frage, ob die Kapuze zur Sichtbehinderung angebracht oder gar für absolute Dickköpfe gemacht wurde.

    Sicher ist jedenfalls, dass sie bei Bewegung nicht an Ort und Stelle, nämlich am Kopf bleibt und den Träger ziemlich im dunkeln tappen lässt. Aber man kann sie ja auch einfach nicht aufsetzen, was allerdings die Frage aufwirft, warum sie überhaupt am Oberteil angebracht wurde.

    Extraflache Nähte, das hört sich doch schon einmal vielversprechend an und kennt man durchaus auch von Marken-Herstellern. Flach stimmt zwar in gewisser Weise, doch die Nähte sind auf der Haut eindeutig zu spüren und reiben. Also auch hier eher Scheuerstelle als Wohlfühl-Gefühl. Windjacke ist Windjacke und tatsächlich zeigt sich das Teil winddicht, da kann ruhig eine steife Brise wehen und man muss auch keine Angst haben, dass bei Sturm die Jacke aufgibt und ihre Form verliert. Sie stemmt sich mit allem, was sie hat, und das ist auf jeden Fall ziemlich viel Eigengewicht, gegen jede Böe und flattert gerne ein bisschen.

    Fast wie ein Röckchen flattert die Jacke im Wind, denn sie hat an der Taille einen Bund eingearbeitet, der an einen Gürtel erinnert und lässt den Stoff regelecht um die Hüften tanzen. Ein Gürtel zum Joggen? Neuland, aber vielleicht der neueste Modetrend? Dicht ist dicht und wer hier so etwas wie Atmungsaktivität erwartet, der ist natürlich auf dem Holzweg. Kann für den Preis nicht erwartet werden, ist ja auch Tchibo. Das Camouflage-Muster der Allrounder-Sport-Tight ist Geschmackssache, die Passform auch. Sie kommt zwar oben mit Bund daher, der aber leider bei Bewegung den Drang hat, nach unten zu rutschen, zumindest bei Damen mit einer sportlicheren Figur. Diese haben deutliche Probleme mit dem Sitz und müssen aufpassen, dass sie bei fortschreitender Aktivität nicht plötzlich mit nacktem Hintern dastehen. Da hilft es auch nicht, dass am Bund ein eher dickes Schlüsseltäschchen angebracht ist, was den Bauchumfang grösser werden lässt. Abschlüsse am Bein: Fehlanzeige! Hier schlabbert bei sportlichen und längeren Beinen das Ende der Hose eher lose Mitte Wade.

    Produziert werden die Teile übrigens in Bangladesh, irgendwo muss der Preis ja auch herkommen. Fair produzierte oder nachhaltige Ware kann der Sparfuchs nicht erwarten. Mit einem eigenen „Qualifzierungsprogramm WE („Worldwide Enhancement of Social Quality“) bringe man Manager, Einkäufer und Beschäftigte an einen Tisch, um Lösungen für verbesserte Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten zu erzielen. Man habe ein Aklommen zu Brandschutz und Gebäudesicherheit in den Produktionsstätten in Bangladesh abgeschlossen, verantwortliche Baumwolle und die Unterstützung der Initiative „Cotton made in Africa“ sowie der Verhaltenskodex Social Code of Conduct (SCoC), der seit 2006 Bestandteil aller Einkaufsverträge ist, umschreiben auf der Website das soziale Engagement des Unternehmens. Ob diese wiederum den eigenen Ansprüchen genügen, muss am Ende jeder Käufer selbst entscheiden.

    Menschen jedenfalls, die sich wenigstens mit einem Mindestmaß an sozialer Verantwortung zufrieden geben, die bereit sind, gehörige Abstriche in Sachen Komfort und Passform in Kauf zu nehmen und natürlich für Menschen, die kleines Geld für ein bisschen Sport ausgeben wollen, sind bei den sportiven Tchibo Styles gut aufgehoben. Wer ernsthaft und regelmäßig aktiv und sportlich unterwegs ist, sollte seine Geldbörse mehr strapazieren, denn am Ende lohnt sich das Investment in Qualität – schon alleine wegen dem Wohlfühl-Effekt und der Lebensdauer. Das sportliche Gewissen bleibt hingegen bekanntlich auch bei dem einen oder anderen namhaften Markenhersteller auf der Strecke.

    5 Kommentare
    • Antworten Werner Matzner, Geschäftsführer Mountain Force

      2. November 2016, 12:28

      Sehr geehrte soq.de Redaktion,

      ich gratuliere Euch zu diesem sehr mutigen aber auch überfälligen Artikel!
      Die Herausforderung wird sein, diese Fakten genügend Konsumenten bekannt zu machen, da hier unter anderem Schlagworte wie „Worldwide Enhancement of Social Quality“ und „Social Code of Conduct“ missbraucht werden und suggeriert wird, dass man qualitativ akzeptable und fair produzierte Artikel derart billig anbieten kann. Das schadet der ganzen Branche.

      beste Grüsse,
      Werner Matzner
      Geschäftsführer Mountain Force

    • Antworten Celine

      2. November 2016, 14:27

      Liebes soq-Team,

      vielen Dank für den ausführlichen und aussagekräftigen Artikel!
      Ich habe mich auch schon durch den billigen Preis dazu verleiten lassen, diverse Sportartikel zu kaufen. Leider musste ich einen deutlichen Qualitätsverlust feststellen. Artikel, die ich vor 3 Jahren gekauft habe, sitzen nach regem Gebrauch immer noch super. Neuere Produkte passen leider bereits bei der Anprobe nicht, oder nach dem ersten Waschgang. Schade!

      Dass das „Fairtrade-Siegel“ täuscht, war mir nicht bewusst. Da werde ich mir nun noch genauer überlegen, ob es den Kauf wirklich wert ist.

      Vielen Dank nochmals für den Wachruf und viel Erfolg beim Publizieren!

    • Antworten Harald

      2. November 2016, 15:44

      Um eines noch einmal deutlich klar zu stellen: Nahezu jedes Unternehmen besinnt sich heute auf seine „soziale“ und/oder „ökologische“ Verantwortung. Oftmals werden unter dem Deckmäntelchen der firmeneigenen Reinwaschung des Gewissens mit Schlagworten um sich geworfen, die sich auf den ersten Blick gut und vielversprechend anhören. Man sollte allerdings als bewusster Verbraucher immer hinter die Kulissen schauen und sich nicht veräppeln lassen. Für kleinste Preise kann man weder faire Löhne, ökologisches Engagement oder menschenwürdige Bedingungen im Poduktionsprozess erwarten. Das ist Fakt! Natürlich ist noch lange kein Markenname gleichzeitig auch ein Markenzeichen für soziale Veranstwortung und nachhaltiges Engagement. Ein „Abkommen zu Brandschutz und Gebäudesicherheit“ wie im Beitrag erwähnt, heißt noch lange nicht, dass die sogenannten „Produktionsstätten“ auch wirklich in allen Belangen ausreichend geschützt sind. Zudem sich oftmals auf vage Zusagen von Lieferanten oder Managen verlassen wird. In jedem Fall lohnt es sich als Verbraucher, einmal ganz genau hinter die Kulissen eines Produktes zu schauen. Zumindest für diejenigen, die mit einem guten Gewissen schlafen gehen möchten oder einfach nur veranstwortungsvollen Umgang mit Ressourcen zeigen wollen. Vielleicht wird unsere Welt eines Tages doch noch etwas besser, aber das hat natürlich seinen Preis!

    • Antworten Juliane

      4. November 2016, 16:44

      Liebe soq-Team,

      danke für den Artikel! Ich würde trotzdem hier gerne noch einmal differenzieren:

      Ich bin sportlich, laufe pro Woche 3-5mal. Ich besitze Tchibo-Sportartikel, und das seit Jahren. Sie haben jede Menge Wäschen durchgemacht und sind immer noch vollkommen ok in Form. Ob das für die neue Serie auch gilt, muss man schauen.
      In der Tat sind einige der Stücke auf Personen mit „Normalfigur“ zugeschnitten – Tchibo gibt ja auch nicht vor ein Profiausstatter zu sein. Die von Ihnen beschriebene Hose passt mir zum Beispiel hervorragend, weil ich keine Stöckchenbeine – aber sehr wohl eine sehr sportliche Figur habe (trage Gr 36 bei 1,74cm). Das kommt also auf die Person an. Nicht jede sportliche Person sieht gleich aus. Ich habe nämlich manchmal Probleme bei den tollen teuren Sachen, deren Beinabschlüsse in 36 für mich zu eng sind….aber das nur als Beispiel.

      Korrekt ist absolut der Hinweis auf die Frage der Nachhaltigkeit der Produktion, den Menschenrechten, Arbeitschutzfragen, Umweltverträglichkeit etc. Da möchte ich aber behaupten, dass Tchibo nicht viel besser oder schlechter als viele große Marken ist. Diese hatten in den vergangenen Jahren auch immer wieder mit Skandalen in dem Bereich zu tun.
      Wer das verhindern will, muss wirklich nachhaltig und fair Sportklamotten einkaufen – bei klar ausgezeichneten Marken, die natürlich oft ein reduzierteres Sortiment haben (was ich vollkommen ausreichend finde). Mehr Geld ausgeben heisst also definitiv nicht unbedingt mehr soziale und ökologische Verantwortung.

      ich würde auch gern dies noch einmal zum Anlass nehmen, dass ein Fairtrade-Siegel in den meisten der Fälle dem Umweltschutz nicht soviele Gedanken geschenkt hat. Eine mit dem Fairtrade-Siegel ausgezeichnete Teemark aus Kenya (Kericho Gold von Gold Crown Beverages) verpackt die teebeutel in Folien (Verbundsstoff) – komplett ungeeignet zur Wiederverwertung und zersetzt sich in Ewigkeiten nicht.

      Ich würde mich sehr freuen, wenn wirklich nachhaltige (und das im ganzen Sinne des Wortes) Sportkleidung auf dem Vormarsch wäre – der Preis würde sich bei höherer Nachfrage auch noch einmal reduzieren, einfach weil einige Kosten wie Transport, Verpackung etc bei höherer Anzahl sinken.

      Wie komplex die Frage der Sicherstellung von Nachhaltigkeit ist, kann man gut am Beispiel vaude sehen, die sich Schritt für Schritt vorankämpfen. Und zu meinem Erstaunen neben Patagonia immer noch die einzigen Anbieter mit dieser klaren Intention sind, die Globetrotter laut eigener Aussage im Angebot hat.

      Und da Decathlon nun den deutschen Markt erobert…..kann dazu jemand Berichte/ Artikel empfehlen?

      Herzlichen Dank
      Juliane

    • Antworten Jo

      5. November 2016, 14:08

      Danke für den Artikel.

      jedoch muss ich in der Passform widersprechen:
      Die Jacke habe Ich anprobiert. Und die sitzt bei mir so lala. Aber eben aus dem Grund das die Ärmel ZU KURZ sind. Eigentlich ein Problem dass ich bei allen Laufjacken habe. Hier aber nicht so wie bei den normalen grossen Herstellern. Also von daher eine Verbesserung für mich.

      Gerade Passform darf man nicht veralgemeinern.

    Wir freuen uns auf Deinen Kommentar!