Das Gespräch mit Kristin Jung offenbart auf Anhieb: Hier geht es nicht um´s Business, es geht um eine Leidenschaft.

    Das Label Jung ist in Kletterkreisen immer noch ein Geheimtipp, ein Hingucker sind die Modelle Fritzi für Damen und Emil für Männer nicht nur, aber auch aufgrund ihrer Farben. Der Schnitt überzeugt dabei allerdings mindestens genauso wie die bequeme Passform, die beim Klettern jede Menge Freiheiten gewährt und das voll und ganz mit ökologischem Gewissen. Doch für die breite Masse der Boulderer und Kletterer ist das Label Jung auch nach vier Jahren am Markt größtenteils noch unbekannt. Oder man gibt den fair produzierten Kletterhosen keine Chance, weil sie einfach das übliche Preisgefüge von weit unter 100 Euro sprengen.

    Foto: Johannes Graf

    Gute Qualität und faire Produktionsbedingungen haben ihren Preis und so trägt sich die Gründerin des Labels mit den Gedanken, die kleine Marke mit dem großen Potential zu verkaufen. „Ich bin ein Produktmensch, ich entwerfe gerne, designe, nähe, aber ich bin einfach keine Geschäftsfrau“ erzählt Kristin Jung und fügt hinzu: „Ich muss nicht an der Spitze stehen, wichtig ist mir einfach nur, dass die Marke in meinem Sinne weitergeführt wird und das Potential, was in ihr steckt, genutzt wird.“ Und der Markt für die äußerst bequemen und farbenfrohen Kletterhosen geht weit über Boulderhallen und Kletterspots hinaus. Denn Fritzi und Emil machen auch im Büro, auf langen Reisen oder Zuhause im eigenen Wohnzimmer eine überaus lässige und gute Figur.

    Foto: Johannes Graf

    Angefangen hatte alles in einer Wohnstube in Leipzig. „Ich bin auf eine gewisse Art ein perfektionistischer Mensch und bin immer auf der Suche nach dem Optimum“ erzählt Kristin Jung und so nähte sie zusammen mit einer Freundin ihre erste eigene Kletterhose. Schnell sprangen Freunde und Bekannte auf den Zug auf und bald schon waren die Kapazitäten der eigenen Hände, von Strick und Faden erschöpft. Das Ziel: Die Produktion von Fritzi und Emil im eigenen Land, hergestellt aus Bio-Baumwolle, alles regional und nix Fernost. Ein Ansatz, der die beiden Freundinnen schnell an die Grenzen des Machbaren führte. „Mit einem Startkapital von 5.000 Euro hatten wir gar nicht die Chance, unsere Ideen von jetzt auf gleich umzusetzen. Wir waren schlichtweg nicht in der Lage, Biostoffe zu erwerben“ und Kristin Jung tat sich schwer, zunächst ihre Kletterhosen eben nicht in Bio-Qualität anzubieten. Die Freundin stieg schließlich aus. Die Gründung einer Familie löste den Traum von dem eigenen Kletterhosenlabel ab, Kristin Jung machte weiter. „2012 hatte ich es geschafft, die Hosen in Bio-Qualität anzubieten“ erzählt Kristin und so erfüllte sich endlich eine Herzensangelegenheit und das schlechte Gewissen, 1 Jahr keine Hosen in Bioqualität angeboten haben zu können, war besänftigt.

    Foto: Johannes Graf

    Jung Kletterhosen werden seit Jahren in Polen produziert, selbstverständlich ohne Kinderarbeit und mit fairen Löhnen. Mindestlöhne und Kinderarbeit sind in Polen ohnehin gesetzlich zugesichert bzw. verboten. Auf die immens kostenintensive „offizielle“ Zertifizierung musste Kristin Jung verzichten, auch aus Budgetgründen. „Alle unsere Stoffe sind zertifiziert, unsere Farben und unsere Färberei ist zertifiziert nach dem höchst möglichen Standard, nur wir können mit dem Zertifizierungslabel nicht werben, da es immense Kosten verursachen würde. Für ein kleines Unternehmen mitten in Köln eine Maßnahme, die einfach für uns nicht tragbar ist“ erläutert die gelernte Hutmacherin.

    Foto: Johannes Graf

    Man muss hinsichtlich der Farbenvielfalt, in der Fritzi und Emil angeboten werden, also kein schlechtes Gewissen haben. Die Ideen für die Farbpalette entstehen spontan: „Diesbezüglich bin ich ein absoluter Bauchmensch, momentan bin ich natürlich wieder vom Herbst inspiriert. Die Blätter an den Bäumen oder auf dem Boden geben ein prächtiges Bild ab. Aber ich wurde auch schon einmal von einer Cornflakes-Verpackung angesprochen und habe die Farbe ins Programm aufgenommen“ erzählt Kristin. Einen Farb-Bestseller gibt es genauso wenig wie einen absoluten Flop. Gekauft wird, was gefällt und die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. „Ich glaube, unsere Kunden entscheiden ebenso spontan, welche Farbe sie bevorzugen wie ich diese auswähle“ schmunzelt Kristin Jung.

    „Mein Traum wäre, komplett in Deutschland zu produzieren und ein Vollsortiment, bestehend aus den Hosen, aber auch Oberteile, Pullover und Socken anbieten zu können und die regionalen Produktionen zu stärken“ – ein Traum, der erst vor kurzem wieder einmal geplatzt ist. „Ich hatte die Produktion von Oberteilen in Deutschland geplant, musste diese aber wieder verwerfen, weil der Produzent mir aus Kapazitätsgründen abgesagt hat“. Doch Aufgeben kommt für Kristin Jung nicht in Frage. Dazu steckt zu viel Leidenschaft in ihrem Label. Zu viel Leidenschaft für faire Produktion, zu viel Leidenschaft für´s Klettern. „Ich habe nie einen Kletterführer in der Hand, sondern konzentriere mich einfach auf das Erlebnis. Ganz besonders schöne Momente erlebte ich bei einem Kletterurlaub in den Canlanques. Wir haben 10 Tage in einer Höhle gecampt, das war wunderbar und beim Klettern habe ich meinen Mann kennengelernt, das war mit Sicherheit mein schönster sportlicher Moment. Ich habe mit dem Klettern gelernt, dass man über sich hinauswachsen kann und das ist eine ganz wichtige Erfahrung für mich gewesen.“ Bleibt zu hoffen, dass Kristin Jung ihrer Marke eine Zukunft ebnet, die ganz nach ihrem Sinne gelebt wird – mit viel Leidenschaft und dem Selbstverständnis, dass nachhaltige und faire Produktion nicht nur möglich ist, sondern sich auch durchsetzen kann, auch bei Kletterfans.

    www.jung-ware.de

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