Die Magie wird der UTMB niemals verlieren, egal auf welcher Strecke man einen Startplatz ergattert und auch bei der 15. Austragung blieb sich die Veranstaltung selbst treu: Wetterkapriolen sorgten für ein zusätzliches Auf und Ab.

    Es ist 8.47 Uhr, Freitag, der 1. September. Ich bin in den vergangenen 12 Stunden gefühlte 50mal aufgewacht, mir stecken 119 Kilometer und 7.200 Höhenmeter in den Knochen. Exakte 31:54 Stunden im Berg verbracht. Meine Teilnahme am TDS, der vermeintlich kleinen UTMB Strecke, war eher einem Missverständnis zu verdanken – für den UTMB fehlten mir vermeintlich die benötigten Qualifikationspunkte – und schließlich der Überredungskunst einer Mitarbeiterin des Presenting Partners Columbia.

    © UTMB®2017

    Und so fand ich mich wieder, am Start des TDS am Mittwoch, 30. August morgens um 6:00 Uhr in Courmayeur. Monte Bianco und das Aosta Tal – für mich der Inbegriff der Magie. Kein anderer Ort zieht mich so in den Bann, so magisch an und wenn sich der Hauch einer Chance offenbart, an den Ort zurück zu kehren, der meine Seele erfüllt oder vielleicht einfach nur spiegelt, dann muss das einfach Bestimmung statt Zufall sein. Es war Magie.

     

    Keine Ruhe nach dem Rennen

    Ich hebe also am Freitag um Punkt 8:47 Uhr die Beine vorsichtig aus dem Bett und richte mich langsam auf. Die ersten Schritte Richtung Bad sind schwer und steif, doch noch einmal überwinde ich meinen Schweinehund. Schließlich werden in exakt 13 Minuten die Teilnehmer des CCC auf die Strecke geschickt. Katzenwäsche und Schmerz beiseite gebügelt und denjenigen applaudiert, die gerade auf die Strecke rund um den Mont Blanc gehen.

    © UTMB®2017

    Mir stehen die Tränen in den Augen als ich den Startschuss höre, die emotionale Achterbahnfahrt geht in die nächste Runde. Zwar scheint hier unten die Sonne, aber ich weiß wie es da oben auf den Bergen aussieht. Der UTMB und der Weiße Berg sind eines: Umkalkulierbar und das ist vielleicht viel eher der Anziehungsfaktor für tausende Läufer aus aller Welt. Nicht das Messen mit den Besten, die Faszination besteht, dem höchsten Berg Europas ins Antlitz zu schauen, ihn zu umrunden auf einer langen Reise zu sich selbst. Die Faszination besteht in den vielen Nationalitäten, den unterschiedlichsten Charakteren, die eines für diese eine Woche teilen:, in der Chamonix das Zentrums des Ultraberglaufs ist: Die Faszination Ultratrail.

    Der TDS – eine lange Reise über den anspruchsvollen Parcours

    Höchster Respekt ein Tag vor dem Rennen

    Holperig gingen für mich die ersten Kilometer nach dem Startschuss zum TDS vonstatten. Das Vertrauen in das eigene Vermögen bleibt in Lebensmomenten auf der Strecke, Der Weg zurück zu dem, was man zu leisten imstande ist, ist tückisch und bedarf einer großen inneren Überredungskunst, um jeden aufkeimenden Zweifel auszumerzen. Und dann stehen wir erst einmal im Stau. 1.800 Teilnehmer möchten auf schmalen Pfaden in die Berge und wenn die Schwächsten vorne weg laufen, ist das für die am Ende der Schlange wenig erquicklich. Überhaupt frage ich mich auf den ersten vermeintlich einfacheren Kilometern, wie so manch ein Teilnehmer die Qualifikationspunkte zusammen bekommen hat?

     

     

    © UTMB®2017

    Vielleicht über Strecke, jedenfalls nicht in den Bergen. Wie blauäugig manche Teilnehmer an das Unterfangen TDS gehen, kann einem Angst machen und es grenzt an ein Wunder, dass verhältnismäßig wenig bis gar nichts passiert. Das mag vorrangig an den strengen Grenzzeiten liegen, auf dem ersten Drittel der Strecke wird das Feld mächtig durchgesiebt. Doch auch noch am letzten Kontrollpunkt in Les Houches nach 113 Kilometern gelten die scharfen Kontrollzeiten. Wer hier zu spät landet, wird erbarmungslos aus dem Rennen genommen, Auch das ist der UTMB.

     

    Die Ruhe vor dem Sturm: Die erste Wochenhälfte erstrahlt Chamonix im Sonnenschein und verwöhnt mit warmen Temperaturen.

    Sonne satt bis zum Zwischenstopp

    In Bourg St-Maurice sind die Beine nach 50 Kilometern schon müde, eine kurze Pause und bedient am Läuferbüffet mit Suppe, Brot, Käse und Salami sowie Orangen und etwas Salzgebäck. Riegel oder Gels stehen nicht (mehr?) zur Verfügung. Egal, ich nehme, was ich kriegen und der Körper aufnehmen kann. Ein verkleidetes Trio sorgt für musikalische Stimmung bei Betreuern und Zuschauern. Ich fühle mich weniger bei einem Ultratrail als bei einer Karnevalsveranstaltung – für mich zu viel Show. Also schnell durch die Ausrüstungs-Kontrolle bevor es von einem bisher heißen, und schwülen Tag in die Nacht geht. Eine Nacht, die uns mit allen Wassern waschen wird.

    © UTMB® – photo : Pascal Tournaire

    Mit der Dämmerung kommt der Regen

    Der Col de la Forclaz kennt kein Erbarmen und schickt uns Regen. In den verbleibenden 13 Stunden haben wir auf dem schwierigsten Teil der Strecke mit heftigem Regen und teils eisigen und staken Windböen zu kämpfen. Jeder Schritt ist ein Gewinn, ein weiterer Sieg im Kampf gegen sich selbst. Statt sternenklarer Himmel, tiefschwarze Nacht. Auf rund 2.000 Metern Höhe werden wir so richtig wach- und durchgeschüttelt. Die Kontrollposten sind wirklich nicht zu beneiden. Wir dürfen Strecke machen, sie müssen stundenlang bei diesem Wetter hier oben stehen. Freiwillig. Das ist Begeisterung, das ist Einsatz, auch das ist der UTMB.

    © UTMB® – photo : Franck Oddoux

    Wasser, Matsch und die Gewissheit

    Ich bin von vielen Seiten vorgewarnt. Der letzte Berg, der Col de Tricot soll es in sich haben. Technisch anspruchsvoll, ich habe ein ungutes Gefühl und ringe bei diesen Wetterbedingungen mit der Aufgabe in Les Contamines trotz eines guten Zeitpuffers vor dem Cut Off. Die Berge verschwinden im Nebel, es regnet. Doch auch dieser Krise stelle ich ein Bein, nehme die Herausforderung an und kämpfe mich Meter für Meter hoch. Der Aufstieg ist brutal steil, aber ich schaffe es schließlich in mehr oder weniger 2 Stunden. Der Abstieg erfolgt durch Schlamm und Wasser, knöcheltief , doch der Grip meiner Schuhe ist einfach fantastisch. Oder ist es das Selbstvertrauen und die schleichende Gewissheit, tatsächlich den TDS beenden zu können?

    © UTMB®2017

    Kein Meter ist leicht

    Auch die letzten Kilometer Richtung Les Houches sind kein Kinderspiel. Jeder kleine Hügel auf dem Streckenprofil ist steil, zum Teil verblockt und der anhaltende Sturm und Regengüsse machen es nicht gerade einfacher. Schließlich biegen wir ein auf die Schlussgerade nach Chamonix, de trotz allem berichtigen letzten 6 Kilometer mit fantastischen Seitenblicken zum Montag Blanc. Ein paar Mitstreiter vor und hinter mir, die mich seit Stunden begleitet haben. Sprechen tun nur wenige, manche laufen ein paar Meter, um dann wieder in den Walking-Modus zu verfallen.

    © UTMB® – photo : Franck Oddoux

    Würdevoller Empfang ohne Lohn

    Chamonix empfängt uns warmherzig. Wir sind nur die kleinen Helden des UTMB, aber trotzdem werden wir reich beschenkt. Leider ist der sichtbare Lohn für die vergangenen 1,5 Tage im Berg nicht verfügbar. Die Finisher-Westen für die letzten TDS Finisher sind aus. Auch gute 3 Stunden später nicht verfügbar und morgen, ja morgen gäbe es dann wieder welche. Ein schwacher Trost, dann sollen sie die doch hinterher schicken. Etwas mehr Freundlichkeit, etwas mehr Zuspruch hätte ich mir gewünscht, aber auch das ist der UTMB. Es ist eben doch nicht immer nur Gold, was glänzt.

    UTMB – die Faszination hört nicht auf

    Trotzdem glänzen die Augen auch in der nächsten Nacht. Am Samstag  um 2:00 Uhr morgens mache ich mich auf den Weg zum Centre Sportif in Courmayeur, um die ersten UTMB Läufer zu sehen. Den zu diesem Zeitpunkt schnellsten Läufern recken sich hunderte Hände entgegen als sie die große Verpflegungsstelle verlassen. Empfangen wie Popstars, verabschiedet wie ein Läufergott, jeder einzelne von ihnen. Wohl kaum sonst auf der Welt wird den Läufern ein solcher Empfang bereitet. Der UTMB eben.

    Meine Beine spielen nicht so mit wie ich möchte. Mein Vorhaben, den Läufern kommend vom Col Checruit bergauf entgegen zu gehen, scheitert an mangelnder Kraft, Koordination und Atem. Erst nach einer Mütze Schlaf gelingt es mir dann im Laufe des Vormittags wieder einen Hügel zu erklimmen. Ich weiß aus eigener Erfahrung nur zu gut, wie jede freundliche Geste, jedes Wort voller Dankbarkeit aufgesogen wird. Es ist der Lohn der Qual: Ein Stück Anerkennung und Motivation für unterwegs, für die nächsten 100 Kilometer bis zum Ziel.

    Für mich endet das Abenteuer UTMB 2017 an diesem Samstagmittag. Der Körper schreit nach Schlaf, möchte keinen Meter mehr gehen, sondern einfach zur Ruhe kommen. Den Zieleinlauf in Chamonix verfolge ich am Bildschirm. Ohne feuchte Augen ist der Monte Bianco und der UTMB nicht zu haben. So trete ich die Heimreise schließlich leider ohne Präsent an, aber was soll´s? Das Geleistete und tausende von inspirierenden und emotionalen Eindrücken wohnen in mir und das ist das, was zählt. Monte Bianco, wir sehen uns wieder, wenn es an der Zeit ist. Die Magie geht nächstes Jahr weiter.

    www.columbiasportswear.de

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