Der Vuurtorentrail auf Ameland in Holland gehört sicher zu den Trailveranstaltungen, die aufgrund ihrer lediglich 550 Höhenmeter und dem eher „seichten“ Gelände oft unterschätzt werden.

    Was dieser Lauf wirklich zu bieten hat und warum sich ein Start ganz sicher lohnt, beschreibt Teilnehmerin Miriam Müller in einem sehr kurzweiligen Bericht.

    Vuurtorentrail, 60 km schön durch die Dünen, keine Berge. Das klang nach einer sonnigen Genussrunde, ein wunderschönes Geburtstagsgeschenk, ein erheiternder Trainingslauf mit meinem Brüderchen. Ich bemerkte meinen Irrtum spätestens als wir um halb 8 aus dem Ferienhaus zum Start trabten. Schwallige Regenböen durchnässten meine kurze Hose und mein Bruder freute sich doch sehr über seine vorabebendliche winterliche Kleidungswahl, die ich zu dem Zeitpunkt noch sehr belächelte. Dann steigerte sich am Start die Vorfreude auf den Lauf, es blieb keine Zeit, um sich Gedanken zu machen. Der Organisator hatte bestimmt einige warme Worte auf Lager, da ich dem Niederländischen leider nicht so mächtig bin, verstand ich nur Turbo-boost, Hilfe und daß wir alle laut schreien, wenn er die Arme nach oben reißt.

    Und dann liefen wir los – am Wahrzeichen von Ameland, dem Leuchtturm vorbei – in die endlosen Weiten der ameländischen Dünenwelt. Wir liefen über malerische Singletrails, Dünen auf und ab, schlängelten uns geduckt durch wild wuchernden Kiefernwald und genossen den angenehmen Rückenwind, der uns energisch nach vorne schob. Aufgrund eines kurzen Ballastabwurfes überholten uns gleich 3 Frauen. Dies löst in meinen Hirnwindungen leider immer drastische Motivationsschübe aus und der angekündigte Turbo-boost wurde gestartet.

    Ingemar Müller im Kampf mit den Elementen

    Meinen liebsten Trainingspartner Timo hatten wir schon nach 5 Kilometern aus den Augen verloren, mein Brüderlein kündigte mir nun nach 20 Kilometern auch ein wenig Achtsamkeit seinerseits an. Doch es lief, ich kämpfte mich stepje for stepje nach vorne und genoss Land und Leute. Bei Kilometer 25 gab es nochmal Cola, ein paar Salzstangen und ab ging es… ins Verderben.

     

    Der Osten von Ameland ist größtenteils Vogelschutzgebiet, menschenleere Dünen und grüne, sumpfige Wiesen voller Vogelkacke. Ich landete mehr als einmal in knietiefen Sumpflöchern, doch mein Körper war auf Betriebstemperatur, das Bild von der Aussichtsplattform Het Oerd entschädigte für die Strapazen, man lief noch locker einen pittoresken Schotterweg entlang und dann endete dieser plötzlich am weiten offen Strand. Dann kamen die vermutlich schlimmsten 5 Kilometer meines Lebens. In der Ferne sah ich vereinzelt bunte Punkte, die sich den Strand entlang kämpften. Von vorne prasselten orkanartige Regenböen auf mich ein, Sandteppiche peitschten um meine Füße. Ich fühlte die Ohnmacht gegenüber den Kräften der Natur, der Wind wehte mir jegliche Energie aus dem Körper.

    Nachdem einige Läufer stumm an mir vorbei huschten, entwickelte ich eine Technik um durchzuhalten, ich zählte immer bis vier. Erst nur in Gedanken, später schrie ich die Zahlen in den Wind. Und obwohl ich schon nicht mehr daran glaubte, sah ich in der Ferne einige Mitleidende, die sich vom Strand in die Dünen fädelten. Völlig kraftlos tapste ich durch die Düne und kämpfte mich schlotternd bis zum Verpflegungspunkt. Die Crew schaute mich mitleidig an, bildete einen wärmenden Schutzwall um mich herum und fragte mehrmals auf Englisch ob ich noch Okay wäre. Sie entließen mich dann wohlwollend mit den Worten: Good Luck!

    Ja das würde ich wirklich benötigen… Die kommenden 10 Kilometer kroch ich durch die Dünen, meine Knie schmerzten, meine Muskeln gelähmt von Kälte. Doch zum Glück reagiert mein Körper manchmal unvorhersehbar. Irgendwann sammelt mich ein netter Amsterdamer ein, den ich vor gefühlten Jahren überholt hatte. Er pushte mich mit: „Last 15 kilometers, come on“.

    Am letzten Verpflegungspunkt füllte ich mich nochmals mit Zucker und Koffein ab und heftete mich an seine Fersen. Es ging nochmals durch weichen Sand, knackige Dünen und Windkanal artige Strandabschnitte. Doch mein Körper befand sich im Automodus. Es konnte mich nichts mehr erschüttern, auch nicht der andauernde Blick auf den Leuchtturm, mal näher, dann nach einigen Schleifen wieder ferner. Nochmal im Zickzack die Düne hoch und runter um den Leuchtturm, dann die ersehnte Teerstrasse nach Hollum und dann endlich der Zielbogen. Medaille um den Hals…fertig…

    Ingemar Müller nach 60 Kilometern und einem „Blick in die Hölle“ im Kampf gegen den Wind

    Der aufgebrachte Niederländer zeigte wie wild auf meine Füße und als er erkannte dass nur klatschende Äffchen durch mein Hirn liefen, setzte er mich auf eine Bank und knotete den Chip aus meinen Schuhen. Völlig verklatscht und bibbernd wartete ich noch kurz auf mein Brüderlein, doch stakste dann alleine zähneklappernd zum Ferienhaus. Wenig später kam dann auch mein gut gelaunter Bruder an…

    Fazit: Ein liebevoll organisierter Landschaftslauf für einen guten Zweck, ohne Müll, ausgewählte vegane Versorgung, und es gibt noch Flecken ganz in unserer Nähe, wo wir uns der Naturgewalt völlig ausgeliefert fühlen können.

     

    Und wenn wir das nächste mal beschließen, zusammen ganz locker zu laufen, sollte ich mich auch dran halten…Vielen Dank Ingemar für dieses unvergessliche Abenteuer!

    Timo, Miriam und Ingemar

    Text und Bilder: Miriam und Ingemar Müller

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