Es gibt Dinge, die sollte ein Trailrunner in seinem Leben einmal gemacht haben. Der The Otter African Classic Trailrun im Tsisikamma Nationalpark an der Ostküste Südafrikas gehört definitiv dazu.

    Wir sitzen zu dritt in einer Spelunke am Djemaa el Fna in Marokko. Daniel, Carsten und ich sind noch völlig berauscht von unseren Eindrücken des zu dieser Zeit gerade ausklingenden ULTRA TRAIL ATLAS TOUBKAL Abenteuers im Jahr 2014. Daniel war es, der irgendwann, irgendetwas von einem Otter Run in Südafrika erzählte. Diesen hätte er noch auf seiner „einmal-im-Leben- machen-Liste“. Da könnte man beim Laufen die Wale beim Auftauchen und ihren spektakulären Kopfsprüngen im Indischen Ozean beobachten.

    Irgendwie geht mir diese Geschichte nicht mehr aus dem Kopf. Und spätestens nach meinen unvergesslichen Eindrücken beim SkyRun in den Südafrikanischen Wittenbergen im vergangen Jahr, wo ich diese unbeschreiblich freundlichen Südafrikaner mit ihrer bedingungslos lockeren Art kennenlernen durfte, sitze ich Anfang diesen Jahres vor meinem Rechner und google einfach mal nach „Otter+Trail+Run+Südafrika“. Ich bin auf der Suche nach einem schönen Lauf, um Birgit für einen gemeinsamen Urlaub den Mund wässrig zu machen. Mein hinterhältiger Nebengedanke: ich möchte sie überreden, mit mir gemeinsam Südafrika zu besuchen und wenn schon mal vor Ort, zusammen einen besonderen Trailrun zu genießen. Die unendlichen Weiten des Internets liefern mir unter anderem folgendes Suchergebnis:

    Der Otter Trail ist einer der bekanntesten Wanderwege der Garden Route und ganz Südafrikas, der durch einen für die Öffentlichkeit gesperrten Teil des Garden Route National Park führt. Zutritt erhalten max. 12 Personen pro Tag. Um diese Genehmigung zu bekommen, ist eine mehrmonatige Vorausbuchung erforderlich. Die Wanderung erfolgt in 5 Tagesetappen über eine Gesamtlänge von 42,5 km und gilt als anstrengend. Startpunkt ist Storms River, Endpunkt ist Nature’s Valley. Der Wanderweg führt entlang der schroffen und unwegsamen Küste, an der sich die Wellen des Indischen Ozeans an den Klippen brechen. Dabei werden die tropischen Regenwälder dieser Garden Route Region durchquert. Entlang der einsamen Küste können Delphine, Wale und Robben gesichtet werden.

    An 360 Tagen im Jahr heißt es auf dem Otter Trail: das Wandern ist des Müllers Lust! An den verbleibenden 5 Tagen eines Kalenderjahres herrscht seit 2009 Trailrun Atmosphäre. Da Birgit auch sehr gerne wandert, scheint mir der The Otter Trailrun nahezu genial geeignet, um meinen Plan in die Tat umzusetzen und sie für diese Reise zu ködern.Und? Bingo! Das passt! Da melde ich uns also einfach mal an! Ähm, tja….. wo bitte ist denn auf der farbenreich und professionell gestalteten Website das Anmeldeformular?

    Ich scheitere beinahe. Das Anmeldeprocedere hat es für mich schon mal in sich. Ich verstehe nur soviel: im Januar sind die Startplätze die zur Verfügung stehen bereits weg! Es gibt aber noch die Möglichkeit, durch eine Art Lotterieverfahren auf die Warteliste zu kommen und so, mit etwas Glück, einen bzw. zwei der anscheinend sehr begehrten Startplätze zu ergattern. Ich investiere die 250 Südafrikanischen Rand und erwerbe ein Team-Lotterielos. An den folgenden Wochenenden kann ich via You Tube bei der Auslosung der Nachrücker dabei sein. Und auf einmal werden Birgit und ich als Team gezogen! Live! Wir sind sprachlos und gönnen uns direkt zur Einstimmung ein Fläschchen Südafrikanischen Syrah aus der Kap Region, um unsere bevorstehende Teilnahme am „The Otter Run“ gebührend zu feiern. Was bedeutet eigentlich Run im Vergleich zur Challenge?

    Keine Ahnung! Wir hatten uns für den Run entschieden, da dieser mit einem Start am Samstag, terminlich am besten zu unserer Urlaubsplanung passte. Wir hätten uns auch für eine Challengeteilnahme anmelden können, da diese aber bereits am Donnerstag stattfinden sollte, kam das für uns eh nicht in Frage. Der feine aber durchaus interessante Unterschied der beiden Rennen sollte uns erst beim Briefing am 14.Oktober 2016 in Storms River so richtig bewusst werden…….

    Nach einer nicht ganz unstrapaziösen 28-stündigen Anreise von Frankfurt am Main via Johannesburg (wo, wie schon im vergangen Jahr bei der Anreise zum SkyRun, mein bzw. dieses Mal sogar unser Gepäck beim innländischen Umsteigen nicht auffindbar war) nach George in der Region Westkap (wo unsere Ausrüstung dann glücklicher Weise wieder wie von Zauberhand auf dem Gepäckband auftauchte) und einer folgenden 3-stündigen Autofahrt mit allen Tücken und Finessen des Linksverkehrs, schafften wir es just in time zum finalen Rennbriefing am Freitag den 14. Oktober um 18:30 Uhr vor Ort im Tsitsikamma Nationalpark zu sein. Die Teilnahme am Prolog, der für jeden Teilnehmer individuell zwischen 12:00 und 16:00 Uhr zu absolvieren war und bei dem auf einer ca. 4,5 Kilometer Distanz die Reihenfolge der Starter ermittelt wurde, hatten wir bereits telefonisch bei unserer ursprünglich aus Deutschland stammenden Ansprechpartnerin Christine vom Otter-Orgateam abgesagt. „Gut, dann startet ihr halt am Samstag vom hinteren Feld!“, war die knappe und unkomplizierte Antwort von Christine. Okay! Das sollte für uns kein Problem sein!


    Das Briefing lässt uns in uns zusammen schrumpfen. Da wird vom härtesten Trailrennen der Welt gesprochen, vom hochkarätigen Feld der Athleten, von den 100.000 Südafrikanischen Rand Preisgeld für die- oder denjenigen, der den Streckenrekord des Schweizer Vorjahressiegers Marc Lauenstein von 3:59:58h unterbietet, von den Tücken, der sehr anspruchsvollen Strecke, von Schlangen deren Gift aber „nur“ Gewebeschäden verursacht, von einem Schiff das als Funk-Kommunikationsbrücke zwischen den ansonsten teilweise von der Funk-Außenwelt abgeschnittenen Kontrollposten vor der Küste kreuzt und von „four river crossings, over 2600 meters of elevation gain and 11 significant climbs. This is what makes The Otter The Grail of Trail“. Wir waren, bedingt durch die Strapazen der Anreise und unseren simplen Übersetzungsversuchen mittels schwindender Schulenglischkenntnisse zutiefst verunsichert und eingeschüchtert. War es überhaupt vernünftig, zu starten?

    Dabei sein ist alles, also starteten wir am kommenden Morgen um 5.00 Uhr mit einem üppigen und sehr liebevoll servierten Athletenfrühstück in den Wettkampftag. Viele freundliche Helferinnen und Helfer ließen uns mit ihrer sympathischen und motivierenden Art, die am Vorabend entstanden Zweifel verdrängen. Mit einem Busshuttle ging es vom Ziel aus in einer ca. einstündigen Busfahrt zum Startpunkt nach Nature’s Valley. In diesem Jahr wird der Otter Trailrun in der entgegengesetzten Richtung ausgetragen, so dass das Ziel am eigentlichen Otter Startpunkt in Storms River ist. Der OTTER African Trail Run unterscheidet sich in den OTTER CLASSIC (Klassische Route von Osten nach Westen – so wie die Wanderer den Trail begehen). Dann jedes zweite Jahr, so wie dieses Jahr, wechselt die Streckenführung in die andere Richtung – nämlich von Westen nach Osten. Andersrum = OTTER rückwärts = RETTO. Dieses Jahr ist also ein RETTO Jahr was wir spätestens zu diesem Zeitpunkt auch verstanden hatten.

    Dort angekommen sind wir ob der sich uns bietenden Kulisse am Strand einfach nur noch sprachlos. Wahnsinn, was uns dort geboten wird: ein kilometerlanger, unberührter Sandstrand, der sich uns von schroffen, Regenwald bedeckten Klippen auf der einen, und vom Indischen Ozean auf der anderen Seite umhüllt bei aufgehender Sonne darbot. Im Abstand von ca. 30 Sekunden starteten ab 7.00 Uhr die Teilnehmer in Kleingruppen, je nach Ergebnis beim Prolog am Vortag. Die schnellsten Läuferinnen und Läufer, also die potentiellen Preisgeldjäger, erhalten einen Vorsprung von 15 Minuten. Was uns nur recht ist! Sollen sie nur schon mal für uns alle Schlangen verscheuchen!

    Wir starten also ca. 30 Minuten nach dem Favoritenfeld von Hinten. Alleine die ersten anderthalb Kilometer am Strand sind beeindruckend. Was folgt, ist nicht weniger emotional: steile, kurze Anstiege wechseln sich immer wieder mit sehr technischen Passagen auf dem Grat und atemraubenden, teilweise halsbrecherischen Abstiegen, ab. Ein Kaleidoskop an fremden Gerüchen, unbekanntem Gezwitscher und Gesummse rauben mir fast die Sinne. Dazu donnert als Untermalung dieser einzigartigen Kulisse der Ozean mit all seiner Härte gegen die schroffen Klippen des Tsitsikamma Nationalparks. Ich muss immer wieder stehenbleiben, um dieses Naturschauspiel einzufangen und zeitgleich Kraft zu tanken.

    Dieses stete Auf und Ab macht mich mürbe. Das Balancieren über die Felsen verlangt mir alles an Reserven ab, was mein geschundener Körper zu bieten hat. Es ist heiß, so dass mich das nach einer beherzten Rutschpartie folgende Bad im Fluss nur für wenige Augenblicke erfrischt. Meine mentale Stärke ist wie vom Winde verweht. Ich beschließe das Rennen in Würde bei der Hälfte zu beenden, da ich die verbleibenden 21 Kilometer sicherlich nicht in den mir bleibenden 4 Stunden der cutt-off-Zeit schaffen kann. Und genau bei den cutt-off’s ergründet sich mir nun schlagartig der Unterschied zwischen dem Run (8 Stunden cutt-off) und der Challange (11 Stunden cutt-off)!

    So nehme ich also den Ausstieg bei der Verpflegungsstelle Munchie Point. Übrigens eine der wenigen Stellen, wo man gut raus dem Rennen kommt, denn so einfach wie bei anderen Rennen ist das beim Otter nicht! Selbst das Aufhören will hier wohl geplant sein, um den Trail überhaupt verlassen zu können.

    Der Otter African Classic Trailrun 2016 in Zahlen:
    Marc Lauenstein verteidigt seinen Rekord vom Vorjahr und finisht den Run 2016 in beeindruckenden 3:54:52h. Teilnehmer beim Run: 208, davon 188 Finnisher. Teilnehmer bei der Challenge: 215, davon 198 Finnisher. Anzahl der Helferinnen und Helfer: 63, davon 45 auf oder an der Strecke (Marshhalls, Safety und Running-Doctors)

    Mich hat wieder einmal bei einem Trailrennen in Südafrika die freundliche und unkomplizierte Art aller am Rennen beteiligter Menschen erfreut und beeindruckt. Die Organisation des The Otter African Classic Trailrun ist brillant und mehr als vorbildlich. Auch für mich eher neu und unerwartet war das abendliche gemeinsame BBQ nach dem Rennen. Alle Teilnehmer wurden zu einem Dinner ohne Plastikteller (!) mit live Musik und toller Stimmung ins Restaurant geladen. Liebevoll eingedeckte Tische, sogar die Platz-Sets waren mit dem The Otter African Classic Trailrun Konterfei bedruckt (ein tolles Andenken, was den Weg in unser Gepäck gefunden hat) und ein exzellenter Service, ließen die Strapazen schnell vergessen. Auch hat uns im Renngeschehen die ausschließliche Verwendung von kompostierbaren Einweggeschirr beeindruckt. Ich habe übrigens auf meinen gelaufenen 21 Kilometern im hinteren Bereich des Renngeschehens nur einen kleinen Fetzen einer Energieriegelverpackung auf dem Trail gesehen! Das nenne ich doch mal Umweltverständnis! Selbst ein kostenloses, für jeden Teilnehmer individuell erstelltes Profifoto von der Rutschpartie vor dem Bad im Fluss, was jeder Teilnehmer nach der Veranstaltung per eMail zugesandt bekam, ist nicht unbedingt selbstverständlich bei vergleichbaren Veranstaltungen. Egal, wo auf der Welt.

    Mein Resume: danke Daniel für diese Flausen die du mir in den Kopf gesetzt hast! Erfüll dir unbedingt deinen Traum vom Lauf auf dem Otter mit Wale gucken (ich habe leider keine gesehen, was wohl eher an meinem sehr auf die Strecke vor mir fokussierten Laufstil lag als an den Meeressäugern. An der Ziellinie wurden sie wohl gesichtet…). Für alle die noch nicht davon träumen: fangt an! Der The Otter African Classic Trailrun ist mit Sicherheit eine der beeindruckendsten Trailveranstaltungen der Welt und gehört unbedingt auf jede individuelle „einmal-im-Leben-machen-Liste“. Kombiniert mit einem Südafrikaurlaub sicherlich für jeden ein unvergessliches Erlebnis. Bei der Entscheidung Challenge oder Run lautet mein Tipp eindeutig Challenge.

    11 Stunden Zeitlimit für „nur“ 42,5 Kilometer hören sich zwar nach Schneckenpost an, sind aber bei dieser einzigartigen Streckenführung mit angeblich über 7.000 Stufen, mehr als herausfordernd. Auch hat man bei der Challenge eher mal die Chance bei einem Päuschen eine der ungefähr 1.928 Traumaussichten zu genießen, ohne den sympathischen Bob mit seinem gelben Besen im Nacken zu spüren.

    P.s. Für alle die auf das Kopfgeld von 100.000 Südafrikanischen Rand aus sind: diese kann man(n) oder Frau auch beim Unterbieten der aktuellen Bestzeit von 3:54:52h errennen!

    Text und Bilder: Alexander und Birgit Rohleder

    [abx ean=“0889645082899″ title=“Salomon XA PRO 3D GTX ® Trailrunningschuh“ template=“14661″]

    Wir freuen uns auf Deinen Kommentar!