In erster Linie ist „Nanga im Winter“ eine Liebeserklärung an den Nanga Parbat, an der der italienische Bergsteiger Simone Moro den Leser teilhaben lässt. Weitere Protagonisten sind Geduld, Vertrauen, Freundschaft, Neid, Enttäuschung und Respekt.

    Der „Mörderberg“ wandelt sich im Laufe Moro´s vier Expeditionen an den Nanga Parbat, zu einem Berg, der den erfolgreichen und erfahrenen italienischen Bergsteiger anzieht wie eine von Geheimnissen umgebene und sagenumwobene Schönheit.

    Manche von Moro´s Bergsteigerkollegen haben die Erforschung dieser Schönheit mit dem Leben bezahlt. Prominentes Beispiel für nur eine Tragödie in der Geschichte des Nanga Parbat die Expedition der beiden Messner Brüder, die Günther mit dem Leben bezahlen musste und bei der Reinhold nur knapp dem Tod von der Schaufel gesprungen ist. Trotz gescheiterter Versuche, den Nanga Parbat ohne Sauerstoff und fremde Hilfe im Winter zu besteigen, kehrt Simone Moro immer wieder zum Nanga Parbat zurück. Simone Moro lässt den Leser in einer eigentümlichen Mischung aus objektivem Erzählstil, hinter dem sich jedoch eine Fülle von Emotionen verbergen, an seiner Bergsteiger-Philosophie teilhaben, am Leben im Basislager, an den Wetterbedingungen, die fast wie aus einer anderen Welt klingen, an den drei Annäherungsversuchen auf verschiedenen Routen an den Gipfel, an der Logistik einer Expedition und schließlich am großen Erfolg beim insgesamt vierten Versuch. Simone Moro hat es schließlich geschafft und steht 2016 auf dem Gipfel des Nanga Parbat und fügt seiner beeindruckenden Bergsteigerkarriere die Erfüllung einer Liebe und Leidenschaft hinzu und damit einen weiteren großartigen Erfolg.

    Doch neben der Schilderung der vier Expeditionen, die aufgrund Moro´s Nüchternheit ohne Superlative und Übertreibungen auskommen, ist das Buch gekennzeichnet von einer heutzutage wohl eher selten gewordenen Entdecker- und Abenteuermentalität. Simone Moro ist ganz sicher kein medienexzentrischer Egomane, der sich im Rampenlicht von Ruhm und Ehre sonnen möchte. Vielmehr geht es ihm um Freundschaft und noch mehr um Vertrauen, ohne dass man auf den Achttausendern dieser Welt wohl kaum überleben kann. Bei Moro´s explorativem Alpinismus geht es um das Aufspüren neuer Routen, um´s Ausprobieren, um Seilschaften, die dazu dienen, die wenigen unerforschten Gebiete dieser Erde aufzuspüren.

    Foto: Simone Moro

    Dafür reichen eben nicht nur Geld, Medienwirksamkeit und Abenteuerlust. Die Erforschung der Berge setzt eine hervorragende körperliche Fitness voraus, an der man nie müde werden darf, hart zu arbeiten. Auch nicht bei Eiseskälte oder Schneestürmen. So lässt Simone Moro den Leser teilhaben an Freundschaften und an menschlichen Verlusten, mit denen Bergsteigern einfach leben müssen. An neuen Freundschaften und an seine Annäherung an Tamara Lunger, die für Moro zu einer perfekten Seilschaftsgefährtin wird.

     

    Foto: Simone Moro

    Doch genauso lässt der Autor in aller Deutlichkeit an menschlichen Enttäuschungen Teil haben, an Vertrauensbrüchen, die leider offensichtlich zum Expeditionsgeschäft dazu gehören. Seien es die Träger, die das Vorhaben der Akklimasations-Expedition zum Spantik scheitern lassen. Sei es die stille Auseinandersetzung mit dem Verhalten Danielle Nardi´s im Basislager der vierten Expedition, Simone Moro findet in aller Deutlichkeit immer die richtigen Worte und ein konsequentes Handeln, ohne die Ebene der Fairness oder der Anerkennung für bergsteigerische Leistungen zu verlassen. Vielleicht haben die Berge Simone Moro auch einfach eine gehörige Portion Demut mitgegeben, die heute vielen Menschen abhanden gekommen ist. Die Höhe macht eben nicht den Unterschied, der Charakter eines Menschen bleibt gleich, egal ob er sich in der Ebene oder auf 8.000 Metern Höhe befindet.

    Foto: Simone Moro

    „Nanga im Winter“ ist also ein vielschichtiges Buch, das nicht nur Einblicke in Simone Moro´s Expeditionen zum Nanga Parbat, dem „nackten Berg“ gewährt. Vielmehr ist das Buch auch deswegen eine Bereicherung in der Bibliothek, weil es Abenteuertum mit simplen menschlichen Komponenten kombiniert. Wer „Nanga im Winter“ liest, wird trotz aller Objektivität beeindruckt sein, emotional mitgerissen und sich eine persönliche Begegnung mit dem Autor wünschen. Denn eine solche dürfte mit Gewissheit eine echte Bereicherung sein. Ein menschlicher Moment für´s Leben.

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